Sciadopitys verticillata (Thunb.1784) Sieb. et Zucc. 1842
Heimat / Verbreitung
Die Art ist in Japan – im südlichen Honshu, in Kyushu und in Shikoku – beheimatet. Sie ist in Mischwäldern bis in 200 bis 1700 m über NN bei Niederschlägen von über 2000 mm verbreitet. Die ältesten Naturwälder werden nicht mehr genutzt und sind z.T. in National-Parks geschützt. Aufgrund des langsamen Wachstums wird die Sciadopitys kaum in Wirtschaftswäldern angebaut.

Sciadopitys verticillata Verbreitungskarte Japan
Systematik
„Lange Zeit wurde die Schirmtanne zur Familie der Taxodiaceae, den Sumpfzypressengewächsen gestellt. Neuere genetische Untersuchungen zeigen jedoch, dass dies nicht mehr haltbar ist. Heute wird die Schirmtanne in einer eigenen Familie den Sciadopityaceae, den Schirmtannengewächsen, geführt, zu der lediglich die monotypische Gattung Sciadopitys gestellt wird.“ (Quinn et al. 2002)
Geschichte
Die monotypische Familie Sciadopityaceae besteht aus nur einer Art = Sciadopitys verticillata, deren Ahnen bis in die Jura-Zeit zurück reichen. Die Gattung war bis zum Tertiär auch in Europa heimisch. In miozänen Braunkohleschichten am Rhein, in der Lausitz und an der Oder wurde sie als sogenannte „Graskohle“, das sind zusammen gepresste, verdichtete Nadelansammlungen, nachgewiesen. So, wie von Sciadopitys wurden auch Vorkommen von Ginkgo in der ganzen nördlichen Hemisphäre nachgewiesen. Deshalb spricht man bei beiden Gattungen auch von lebenden Fossilien.
Beschreibung
Der in Japan beheimatete Baum kann am natürlichen Standort bis 30 m hoch werden – ausnahmsweise auch bis 45 m hoch und bis 3 m Durchmesser erreichen. Er ist ausgesprochen langsam wachsend, kann aber durchaus ein hohes Alter erreichen. Er gilt in Japan – ebenso wie der Ginkgo – als heiliger Baum. Die Rinde ist in der Jugend glatt und löst sich im Alter in langen, dünnen Streifen vom Stamm ab. Die Rinde darunter ist rötlichbraun. Die Nadeln kommen in zwei Formen vor:
- Die eigentlichen, nicht assimilierenden, dicht am Trieb anliegenden, dreikantigen, nur bis 5 mm langen Schuppennadeln und
- die assimilierenden, glänzend dunkelgrünen, biegsamen, bis 15 cm langen, schirmartig angeordneten, immergrünen Phyllokladien mit unterseits zwei weißen Stomalinien.
Sie stehen zu 10 bis 30 Phyllokladien zusammen und bleiben bis zu 4 Jahren am Trieb.
Im Gegensatz zu den typischen Nadelblättern anderer Koniferen stehen bei Sciadopitys verticillata die Nadeln in den Achseln kleiner rudimentärer Tragblätter und sollten daher nicht als Blätter, sondern als Phyllokladien bezeichnet werden. Diese Phyllokladien, wegen ihrer Doppelspitze oft als „Doppelnadeln“ bezeichnet, sind rezent die die einzigen assimilierenden Organe dieses Taxons.

Sciadopitys verticillata Phyllocladien-Querschnitt Foto V. Dörken
Diese „Doppelnadel“ ist ein Produkt aus zwei kongenital verwachsenen Nadelblättern eines stark reduzierten Kurztriebes. Der Vegetationspunkt des Kurztriebes wird in diesem Fall relativ früh aufgebraucht. Dessen Rudimente liegen an der Basis des Phyllokladiums. Der Kurztrieb ist extrem stark reduziert und sein Spitzenmeristem wird von den wachsenden Blattprimordien mehr oder weniger verbraucht, so dass das Phyllokladium hauptsächlich aus Blattparenchym aufgebaut ist“ (Dörken & Stützel, 2011).
Die ♂ Blüten der monözischen Pflanze werden bereits im Jahr vor der eigentlichen Blüte in Form kleiner Kugeln gebildet, die dicht beieinander stehen. Die ♀ Blüten sind erst im Frühjahr erkennbar. Die im 2. Jahr reifenden, eiförmigen, braunen, bis 7 cm großen Zapfen enthalten – voll ausgebildet – in jeder Samenschuppe 7 bis 9 Samen. Die Samen sind flach-eiförmig, ringsum geflügelt und bis 12 mm lang. Ein Zapfen kann bis zu 150 Samen enthalten. Eine Zapfenbildung erfolgt erst im Alter von 25 bis 35 Jahren. Die Saatmenge von 100 Gramm enthält ca. 3700 Samen. Die Keimung der Samen erfolgt nach ca. 100 bis 120 Tagen mit einem maximalen Anteil von 70 % Keimfähigkeit. Die sehr langsam wachsenden Sämlinge bilden im ersten Jahr nur zwei Keimblätter, d.h. nach zwei Wachstumsperioden sind die Sämlinge nur 4 cm groß und haben nur ca. 6 Phyllokladien. (Eigene Erfahrung und Angaben Fa. Carstens, Varel). In der Regel findet die Vermehrung durch Saat statt – eine Nachzucht aus Stecklingen ist möglich – doch nicht wirtschaftlich.
Natürliches Vorkommen / Ökologie
Die endemische Art ist nur im südlichen Japan verbreitet. Die Naturareale kommen nur an wenigen Standorten vor. Das sind:
- Der Berg Koya-san in 800 bis 1000 m über NN
- Im Tal Kisogawa in 600 bis 1000 m über NN
- Auf der Insel Shikoku in 400 bis 500 m über NN
Die Niederschlagsmenge liegt i.d.R. nicht unter 1000 mm. Sie bevorzugt am heimatlichen Standort feuchte Hanglagen auf sauren Standorten und verträgt viel Schatten. In gebirgigen Mischwäldern kommt sie in geringen Anteilen mit Chamaecyparis obtusa, Chamaecyparis pisifera, Tsuga sieboldii, Abies firma, Pinus parviflora, Aesculus turbinata, Magnolia obovata, Acanthopanax spec., Cercidiphyllum japonicum, Acer rufinerve u.a. vor. Im Unterstand finden sich Ilex sugeroki, Skimmia japonica u. a. Die Art ist meistens mit den vorgenannten Arten vergesellschaftet – nur selten ist sie in kleineren Reinbeständen zu finden. Hier fällt die häufige Zwieselbildung auf.
Erfahrungen in Mitteleuropa
Als dekorativer Parkbaum ist die Art hier schon sehr lange bekannt – gleichzeitig aber als alter Baum doch selten zu finden. Das kann an den besonderen Ansprüchen dieser Baumart liegen: Die Niederschlagsmenge sollte nicht unter 1000 mm liegen, der geeignete Standort ist eine Hanglage, die nach Nord oder West ausgerichtet ist. Der Boden sollte sauer und humos und der Standort halbschattig sein. Staunässe-Standorte sind nicht geeignet. Wenn möglich sucht man einen Pflanzort, der nicht der vollen Wintersonne ausgesetzt ist, denn nur als freistehende Solitärpflanze kann der Baum seine dekorative Wirkung erreichen. Die Art ist winterhart und langsam wüchsig. Sie erreicht hier selten Höhen von mehr als 10 m. Die Art verträgt keine Trockenheit – deshalb ist auch der erwachsene Baum für zusätzliche Wassergaben dankbar. Zusätzlich ist es ratsam den Wurzelraum der flach wurzelnden Art mit einer Mulch- oder Laubschicht im Winter abzudecken um Frost-Trocknis zu vermeiden.
In Japan und zunehmend auch in Mitteleuropa werden Cultivare in verschiedenen Formen und Farben angeboten und verwendet. Durch ein ausgesprochenes, langsames Wachstum sind diese dekorativen Pflanzen auch für den kleinen Garten geeignet. Bei künstlicher Verwendung in Park und Garten sollten oben genannte Anforderungen der Art beachtet werden. Nur dann kann die Art ihre dekorative Besonderheit darstellen. Die winterharte Art kann jedoch durch Spätfröste geschädigt werden. Die Gelbfärbung der Nadeln deutet auf einen zu hohen Kalkanteil im Boden hin – eine Braunfärbung der Nadeln im Winter zeigt einen Stickstoffmangel an. Für die Art wird die WHZ 5 angegeben.
Holz
Das duftende Holz ist in Japan sehr gesucht und beliebt, doch es wird aufgrund der stark eingeschränkten Verfügbarkeit infolge des Rückganges der Naturwälder immer seltener und teurer. Das Splintholz ist weißlich, das Kernholz ist gelblich, beides ist gut zu bearbeiten. Es ist sehr elastisch und wasserwiderstandsfähig.
Gefährdung
In Japan ist die Art an den Naturstandorten durch zunehmenden Rückgang der Naturwälder gefährdet. Nach IUCN (International Union for Conservation of Nature) ist die Art in die Gefährdungskategorie NT, Near Threatened 3.1 eingeordnet.
Mit Dank für Foto-Beiträge von Dr. Veit Dörken, Uni Konstanz und Dr. Armin Jagel, Uni Bochum
Literatur
BRUNSFELD S.J. Phylogenetic relationsships among the genera of Taxodiaceae and Cupressaceae. In Systematic Botany 19 (2) 1994 S. 253-262
DEBRECZY Z. + RACZ I. Conifers around the World, Vol. 1 + 2, Dendro Press Ltd. Budapest, Ungarn, 2011
DÖRKEN, V.M. & SÜTZEL, TH. (2011) Morphology and anatomy of anomalous cladodes in Sciadopitys verticillata SIEBOLD & ZUCC. (Sciadopityaceae); Trees (2011) 25:199-213.
ECKENWALDER J. E. Conifers of the world, Timber Press; Portland, London; 2009
FARJON A. A Handbook of the World’s Conifers, Vol. 1 + 2, Verlag Brill; Leiden, Boston; 2010
QUINN, C.J.; PRICE, R.A.; GADEK, P.A. (2002) Familar concept and relation ships in the conifers b ased on rbcl and matK sequence comparisions. Kew Bull. 57: 513-531.
WOLFE A. P. u.a. A new proposal concerning the botanical origin of Baltic amber. In Proceeding in the Royal Society – Biological Science Vol 276, London; 2009
The IUCN Red List of threatened species 2016-1
Internet
de.wikipedia.org
H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Alter Baum am Heimatstandort Japan

Sciadopitys verticillata Fossiles Blatt, etwa 50 Mill. Jahre alt US-Bundesstaat Washington

Sciadopitys verticillata Naturverjüngung auf totem Stamm Foto flickr.com

Sciadopitys verticillata Samen Foto A. Jagel

Sciadopitys verticillata Rindenbild eines alten Baumes Foto V. Dörken
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Familie: Sciadopityaceae Gattung: Sciadopitys (monotypisch)
Name Der Name Sciadopitys leitet sich aus dem griechischen „skias“ = Schattendach, Dolde, Schirm und pitys = Kiefer, Fichte, ab. Das lateinische Epitheton bedeutet: quirlblättrig und bezieht sich auf die Anordnung der Doppelnadeln am Trieb. Der Deutsche Name „Schirmtanne“ ist zwar üblich aber gleichzeitig irreführend, da es sich keinesfalls um eine „Tanne“ handelt, sondern um die eigenständige Gattung Sciadopitys.

Sciadopitys verticillata Naturstandort Japan Foto: flickr.com

Sciadopitys verticillata Einjähriger Sämling Foto: V. Dörken

Sciadopitys verticillata Dreijähriger Sämling Foto: H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Fünfjährige Pflanze, St. Ulrich, Foto H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Beginnender Austrieb, Foto florawonder.blogspot.com

Sciadopitys verticillata 15 jährige Jungpflanze, FR-Günterstal, Foto H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Seitenzweig Foto Admin, Oesterreich

Sciadopitys verticillata Anzuchtfläche der Carstens-Baumschule, Varel

Sciadopitys verticillata Schuppen-Nadeln und Phyllokladien, Foto V. Dörken

Sciadopitys verticillata Lang-Trieb Foto V. Dörken

Sciadopitys verticillata Weibl. Blüte Foto A. Jagel

Sciadopitys verticillata Männl. Blüte Foto V. Dörken

Sciadopitys verticillata Unausgereifter Zapfen, FR-Günterstal Foto H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Vom Zweig durchwachsener Zapfen Foto A. Jagel

Sciadopitys verticillata Alte und junge Zapfen, St. Ulrich Foto H. Nimsch

Sciadopitys verticillata Reifer, geöffneter Zapfen Foto V. Dörken

Sciadopitys verticillata Etwa 100 Jahre alter Parkbaum in FR-Günterstal Foto H. Nimsch
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